Herz über Kopf – Von der Intuition der Entscheidungsfindung

„Der Kopf sagt ‚Nein‘, das Herz schreit ‚Ja‘!“ (Wolkenfrei). Wir alle haben wahrscheinlich schon einmal eine Entscheidung treffen müssen, bei der der Kopf etwas anderes sagt, als das Herz oder das Bauchgefühl. Erinnern Sie sich an eine Situation? Wie haben Sie sich entschieden? Haben Sie Ihrer Ratio oder Ihrer Intuition vertraut?

Die Forschung war lange davon überzeugt, dass zwei unabhängig voneinander agierende Entscheidungssysteme in unserem Organismus existieren.

Zum Einen die allzu bekannte, rationelle Pro/Contra Liste mit Gewichtung und Streichung der gleich starken Argumente und schließlich die Lösungsfindung als „Moralische Algebra“ (wie es Benjamin Franklin genannt hat) oder die ebenso rationelle Kriterienmatrix etc.. Zum Anderen die schnelle Intuition von der man lange geglaubt hat, dass es bloße Gefühle ohne logische Erklärung seien.

Mittlerweile verdichten sich die Hinweise dahingehend, dass der orbitofrontale Cortex einen Hauptanteil der Intuition leistet. Intuitive Entscheidungen basieren auf Heuristiken, emotionalen Erinnerungen und sensorischen Wahrnehmungen, die oftmals nicht bewusst zugänglich sind und sind somit nicht „nur“ Gefühle.

Sind Sie auch so erzogen worden, dass alles Sinn machen muss, alles begründbar – logisch erklärbar sein muss? Wieso verlangen wir uns selbst oft etwas ab, was nicht einmal die Wissenschaft zu 100% leisten kann? Wiegen wir uns dadurch in scheinbare Sicherheit? Wenn wir heute eine Entscheidungen treffen, die sich im Nachhinein als falsch herausgestellt hat, können wir die logische Entscheidung klar nachvollziehbar begründen. Die intuitive Entscheidung, welche ja zum Großteil auf unbewussten Wissensanteilen basiert, können wir nicht erklären. Hier müssten wir zu uns, unserer Entscheidung und allen Konsequenzen stehen. In unserer Gesellschaft und mangelnden Fehlerkultur teilweise ein Horrorszenario.

Wie entscheiden wir uns nun, wenn beide Lösungen divergieren? Studien zufolge, vertrauen Menschen bei großen, komplexen Entscheidungen eher dem Kopf und bei kleineren Problemen eher der Intuition. Prof. Dr. Gerd Gigerenzer (Direktor des Harding Zentrums für Risikokompetenz des Max-Planck-Instituts) hält es aufgrund der Komplexität der Themen allerdings viel wichtiger, dass wir gerade in diesem Fall die schnelle Intuition entscheiden lassen. Komplexe Entscheidungen verlangen komplexe und umfassende Information, die moralische Algebra alleine nicht leisten kann.

Auch in der Hypnosystemik – vor allem im Leistungssport – kennt man das Phänomen. Wenn sich ICH-Prozesse und ES-Prozesse streiten – gewinnt immer das ES. Wenn wir im ES ein emotional negatives Erlebnis in der Vergangenheit abgespeichert haben, beeinflusst uns dieses in der heutigen Entscheidung. Darum ist es wichtig, die Prozesse im Hintergrund zu kennen – sich selbst zu kennen. Je besser wir unser eigenes System verstehen, umso mehr vertrauen wir unserer Intuition.

Öfter sagen Klienten zu mir „Das fühlt sich richtig an, verstehen tu ich es noch nicht.“ Ich bediene mich dann eines Zitates der Autorin Andrea Russo: „Ciò che il cuore conosce oggi, la testa comprenderà domani – Das was das Herz heute schon weiß, wird der Kopf erst morgen verstehen.“